AGR aktuell Ausgabe Herbst 2022

Interdisziplinäre Fachbeiträge 24 AGR aktuell 2022/68 | Aktion Gesunder Rücken e. V. Unzählige Empfehlungen und Hilfsmittel sind für Menschen mit Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats, insbesondere des Rückens oder der Extremitäten, verfügbar. Für viele Betroffene stellt es eine große Herausforderung oder gar eine Überforderung dar, die richtige Wahl zu treffen. Doch auch Experten müssen sich in dem „Dschungel“ an Informationen zurechtfinden. Dorothea Haslingers Erfahrungsbericht aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Physiotherapeutin und Beratungstätigkeit in Unternehmen, im Bereich der Ergonomie und Gesundheitsförderung, zeigt auf, worauf man bei Patienten mit geänderten Lebensgewohnheiten achten sollte. Nicht nur Laien müssen sich mit dem Überangebot an Information auseinandersetzen, auch wir, die Experten, stellen uns immer wieder dieser Herausforderung. Kaum fühlt man sich gut informiert, ergeben sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder technische Errungenschaften, die im Praxisalltag zu berücksichtigen sind, wie zum Beispiel neue ergonomische Hilfsmittel. Wir alle sind daher gefordert, unsere Arbeits- und Handlungsqualität immer wieder zu reflektieren und dem aktuellen Wissensstand anzupassen. Am Anfang meiner Tätigkeit als selbstständige Physiotherapeutin suchten mich vor allem Patienten mit Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule oder Schulter auf. Nun könnte man meinen, dass die Orthopäden, die mir die Patienten zuwiesen, ihren Behandlungsschwerpunkt auf diese beiden Bereiche eingegrenzt hatten. Doch dem war nicht so, denn auch die Behandlung von Patienten mit Beschwerden in anderen Körperregionen war und ist tägliche Aufgabe in meinem Therapiealltag. Von der Schreibmaschine zum Computer Von Beginn an hinterfragte ich in der Anamnese den Arbeitsplatz meiner Patienten. Es war zu der Zeit, als die gute alte Schreibmaschine durch den Computer abgelöst wurde. Das Mobiliar änderte sich und somit auch die ergonomischen Gegebenheiten. So mussten beispielsweise die Arbeitshöhe von Tisch- und Bürostuhl sowie auch die Bildschirmhöhe neu abgestimmt und angepasst werden. Die Büromöbelhersteller benötigten jedoch eine geraume Zeit, um ihr Angebot entsprechend nachzurüsten. Dies hatte zur Folge, dass den Menschen an ihren Arbeitsplätzen, vor allem im Büro, zunächst keine ergonomisch angepassten Computerarbeitsplätze zur Verfügung standen. Die Folge waren vielfältige körperliche Beschwerden, die einen Arztbesuch nötig machten. Die einzig große Herausforderung in der Behandlung war nicht mehr nur ein Bandscheibenprolaps imBereich der Lendenwirbelsäule, sondern es zeigten sich zunehmend auch Blockaden des Iliosakralgelenks, Instabilitäten im thorakolumbalen Übergang, sternokostale Belastungssyndrome, Rippengelenksblockaden, Schulterbeschwerden, allen voran Probleme mit dem Akromioklavikulargelenk. Im Laufe der Zeit kamen nach und nach noch andere Beschwerdebilder hinzu, wie HWS-Syndrom, Tinnitus, Hörsturz, Vertigo, Sehstörungen und Kiefergelenksüberlastungen bis hin zum Karpaltunnelsyndrom, die primär Grund für eine Behandlung waren. Dies führte dazu, dass nicht nur innovative Therapiekonzepte und Heilmethoden entwickelt wurden, sondern auch in Sachen Ergonomie neue Konzepte ausgearbeitet und angeboten werden mussten. Die Büromöbelhersteller mussten ebenfalls nachrüsten und entwickelten daraufhin neue Möbel, die den Menschen mit Büroarbeitsplätzen bis heute gute Dienste leisten. In der Therapie hat sich ebenfalls einiges geändert: Fort- und Weiterbildungen ermöglichten, dass sich interdisziplinäre Teams mit >> Ein weiter Weg von der Lendenwirbelsäule zu den Kiefergelenken Fehlhaltung kann vielfältige Symptome verursachen Dorothea Haslinger I Physiotherapeutin, Leiterin des fachlichen Netzwerks Arbeit, Gesundheit und Prävention, Physio Austria

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