Fernlehrgang Leseprobe

28 AGR Fernlehrgang | Von der Verhaltens- zur Verhältnisprävention | Auflage 9, 2024 an Schulkindern und Heranwachsenden, dass das Problem Rückenschmerzen bereits unter Jugendlichen häufig ist und eine erhebliche Krankenlast verursacht. Die Rückenschmerzhäufigkeit bei 20-jährigen wird mit 74 Prozent angegeben (vgl. KKH Kaufmännische Krankenkasse 2008). Bei der Beschreibung des Verlaufs von Rückenschmerzen werden akute, chronische Schmerzen und rezidivierende Verläufe unterschieden. Akuter Rückenschmerz definiert den Rückenschmerz der nicht wiederkehrend oder chronisch ist und plötzlich auftritt. Patienten mit einer akuten Episode von Rückenschmerzen sind in über 90 Prozent der Fälle nach einigen Wochen wieder beschwerdefrei. Die Definition von »chronisch« ist weniger eindeutig. Am häufigsten wird zur Beschreibung der Chronizität ausschließlich die Zeitdauer (mehr als sechs Monate) der Beschwerden herangezogen. Als »rezidivierend« werden wiederkehrende Krankheitsverläufe bezeichnet. Hier wechseln sich Rückenschmerzepisoden und beschwerdefreie Intervalle ab, wobei die Dauer einer Schmerzepisode drei Monate nicht überschreitet. Nach Angaben des Robert Koch Instituts leiden in Deutschland jede vierte Frau und jeder sechste Mann an chronischen Rückenschmerzen (Robert Koch Institut GBE-Bericht 2015). Risikofaktoren Wenn sich auch für die unspezifischen Rückenschmerzen keine eindeutige Ursache ermitteln lässt, so konnte doch eine Reihe von Risikofaktoren identifiziert werden, die dazu beitragen, dass bei einem Teil der Betroffenen gelegentliche Rückenschmerzepisoden häufiger rezidivieren und im Endeffekt einen chronischen Verlauf nehmen. Bis in die 1980er Jahre wurde angenommen, dass die Hauptrisikofaktoren für Rückenprobleme unter den biomechanischen Einflussgrößen, wie Fehlbelastungen durch schweres Heben und Tragen, langes Sitzen oder »krumme« Haltung, zu suchen sind (Nachemson 1975). Neuere Forschungsergebnisse dagegen legen nahe, dass die Entstehung beziehungsweise Chronifizierung von Rückenschmerzen einem biopsychosozialen Modell folgt, in dem psychologische und soziale Faktoren eine eher noch größere Bedeutung zukommt als den biomechanischen Einflussgrößen (Waddell 2004). 3. Hintergrundwissen 3.1 Prävention von unspezifischen Rückenschmerzen Häufigkeit und Verläufe Unspezifische Rückenschmerzen – d. h. solche, bei denen sich kein unmittelbares organisches Korrelat als Beschwerdeauslöser identifizieren lässt – gehören zu den häufigsten Beschwerden in den Industrienationen. Internationalen Schätzungen zufolge, müssen etwa 85 Prozent aller chronischen Rückenschmerzen als unspezifisch eingeordnet werden. Bei Befragungen in der Bevölkerung hat man festgestellt, dass bis zu 80 Prozent aller Personen schon mindestens einmal in ihrem Leben unter Rückenschmerzen gelitten haben. Unter den Ursachen für Arbeitsunfähigkeiten und medizinische Rehabilitationsmaßnahmen nehmen Rückenschmerzen jeweils den ersten Rang ein, bei den Anlässen für vorzeitige Berentungen wegen Erwerbsunfähigkeit stehen sie an zweiter Stelle. Bis vor etwa 30 Jahren galten Rückenschmerzen vor allem als Problem der Erwachsenen – ausgelöst und verstärkt durch körperliche Belastungen am Arbeitsplatz und bei der Hausarbeit. Seit Mitte der 1980er Jahre zeigte jedoch eine Reihe von Untersuchungen

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