Rückenwelt 

Raus aus der Schonhaltung

Chefärztin Frau Dr. med. Petra Büchin erklärt, warum Bewegung zur Vorbeugung eines akuten Bandscheibenvorfalls hilft.

Dr. med. Petra Büchin
Chefärztin des Zentrums für Wirbelsäulenchirurgie und Rückentherapie des Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart

Frau Dr. Büchin, wie kommt es zum Bandscheibenvorfall?
Büchin: Bei einem Bandscheibenvorfall tritt Gewebe aus einer Bandscheibe der Wirbelsäule aus. Drückt es auf die Nervenfasern des Wirbelkanals, ist das für die Betroffenen schmerzhaft. Die Betroffenen können sich oft an eine akute schmerzauslösende Bewegung erinnern – und halten sie dann für die Ursache des Vorfalls. Die tatsächliche Ursache ist allerdings eine schwach ausgebildete Rumpf- und Rückenmuskulatur, die wiederum zu einer unphysiologischen Fehlbelastung der Bandscheiben führt. Eine solche Fehlentwicklung lässt sich nur durch regelmäßige Eigenübungen mittel- bis langfristig beheben.

Wer einen Bandscheibenvorfall erlitten hat, fürchtet sich vor einer Wiederholung. Wie schützt man sich davor?
Büchin: Da lautet die Devise ganz klar: Bewegung, Bewegung, Bewegung! Regelmäßige, am besten tägliche Rückenübungen wie Kräftigungs-, Dehn- und Koordinationsübungen oder Faszienbehandlung mit Faszienrollen müssen wie das Zähneputzen zum Alltag gehören – das gilt auch für Menschen, die noch keinen Bandscheibenvorfall erlitten haben. Denn nur wenn wir unsere Bandscheibensegmente regelmäßig beanspruchen, werden sie effektiv mit Nährstoffen versorgt.

Eine stabile Rumpfmuskulatur hält wiederum die Wirbelsäule aufrecht. Dafür sind besonders die kleinen Muskeln zwischen den Wirbelsegmenten verantwortlich. Sie sorgen zudem für die Koordination und brauchen zur Stärkung ein entsprechendes Training. Ebenso ist es wichtig, ein muskuläres Ungleichgewicht zu vermeiden. Letztendlich müssen Betroffene realisieren, dass nur sie selbst das Risiko eines Rückfalls mindern können.

Wie genau verbessert Bewegung die Rückengesundheit?
Büchin: Rückenübungen sind die Basis, um die Rücken- und Rumpfmuskulatur zu stärken, die maßgeblich zu unserer Rückengesundheit beiträgt. Regelmäßige Bewegung hält zudem insbesondere die Faszien im Bereich der Muskeln locker und beweglich, über die unsere Muskeln, Knochen, Sehnen, Fettgewebe, die Haut und die Organe miteinander verbunden sind. Und sie verhindert eine massive Verfettung der Rückenmuskulatur, die wir häufig in durchgeführten MRTs von Patienten mit Bewegungsmangel feststellen.

Bei Patienten mit schwach ausgeprägter Muskulatur entstehen Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule eher, da hierdurch die Knochen- und Bandstrukturen sowie die Bandscheiben der Wirbelsäule stärker belastet werden als bei Menschen, die regelmäßig in der Freizeit, im Alltag und auch bei der Arbeit kräftigende Tätigkeiten ausüben. Dehnübungen sollten ebenfalls nicht vergessen werden. Gut für die Rückengesundheit ist letztendlich alles, was uns in Bewegung hält.